Gesetzliche Unfallversicherung für Kinder, Schüler, Studenten und Azubis – und warum eine private Unfallversicherung oft unverzichtbar ist

Die gesetzliche Unfallversicherung ist ein wichtiger Pfeiler der sozialen Absicherung in Deutschland. Sie schützt Kinder und Jugendliche in bestimmten Lebensbereichen – doch der Schutz hat deutliche Lücken. Immer mehr Eltern fragen sich: Reicht die gesetzliche Unfallversicherung für mein Kind aus, oder brauche ich zusätzlich eine private Kinderunfallversicherung?
In diesem Artikel beleuchten wir den gesetzlichen Schutz für Kindergartenkinder, Schulkinder, Auszubildende und Studenten, zeigen auf, welche Ansprüche bestehen, wo die Grenzen liegen und warum eine private Unfallversicherung oft eine unverzichtbare Ergänzung ist.
Gesetzliche Unfallversicherung: Grundlagen und gesetzliche Regelung
Die gesetzliche Unfallversicherung ist in Deutschland im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) geregelt. Sie schützt insbesondere:
- Arbeitnehmer,
- Kinder in Kindergärten und Schulen,
- Studenten,
- Auszubildende,
- Menschen bei ehrenamtlicher Tätigkeit.
Nach § 2 SGB VII sind Kinder während des Besuchs von Kindertageseinrichtungen und Schulen gesetzlich unfallversichert. Auch der direkte Weg zu und von diesen Einrichtungen ist abgesichert (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).
Wer ist versichert?
- Kinder im Kindergarten:
Versichert während der Betreuungszeit, bei Veranstaltungen der Kita und auf dem direkten Hin- und Rückweg. - Schulkinder:
Versichert während des Unterrichts, in den Pausen, bei Klassenfahrten, Ausflügen und auf dem Schulweg. - Studenten:
Versichert bei offiziellen Veranstaltungen der Hochschule, Praktika, Exkursionen, Bibliotheksnutzung, Sportveranstaltungen sowie auf dem direkten Weg. - Auszubildende:
Versichert während der Ausbildungszeit, bei Berufsschulbesuchen, Betriebsausflügen und auf dem direkten Arbeitsweg.
Welche Ansprüche bestehen?
Bei einem Versicherungsfall können folgende Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung beansprucht werden:
- Heilbehandlungskosten (z. B. Krankenhaus, Reha, Physiotherapie)
- Verletztengeld (Ersatz für Verdienstausfall, bei Kindern oft irrelevant)
- Pflegegeld
- Teilhabeleistungen (z. B. Umbauten, Hilfsmittel)
- Rentenzahlungen bei dauerhafter Minderung der Erwerbsfähigkeit
- Hinterbliebenenrente bei Todesfällen
Wichtige Einschränkung:
Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt nur, wenn der Unfall „infolge einer versicherten Tätigkeit“ passiert, also bei einem inneren Zusammenhang mit Kita, Schule, Studium, Ausbildung oder auf dem direkten Hin- und Rückweg.
Warum ist die gesetzliche Unfallversicherung lückenhaft?
Der Schutz endet oft genau dort, wo Kinder den Großteil ihrer Zeit verbringen:
- zu Hause,
- in der Freizeit,
- beim Sportverein,
- auf Spielplätzen,
- im Urlaub.
Beispiel: Ein Kind stürzt zu Hause beim Klettern auf dem Baum, bricht sich den Arm –kein gesetzlicher Unfallschutz. Ein Schüler verletzt sich beim Holen von Material für ein Schulreferat, wie im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Az. L 6 U 36/24, Urteil vom 27.03.2025) –kein Versicherungsschutz, weil private Vorbereitungstätigkeit.
Fallbeispiele aus der Praxis
1. Kindergartenkind verletzt sich beim Sturz von der Rutsche
- Ursache: Unfall während der Betreuungszeit in der Kita.
- Leistung: Übernahme der Heilbehandlungskosten, Reha-Maßnahmen.
- Gesetz: § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII.
2. Schüler bricht sich den Arm bei der Klassenfahrt
- Ursache: Sturz beim Wandern während einer Klassenfahrt.
- Leistung: Heilbehandlung, eventuell Übergangs- oder Pflegegeld.
- Gesetz: § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII.
3. Azubi verletzt sich bei der Arbeit mit einer Maschine
- Ursache: Arbeitsunfall während der Ausbildung.
- Leistung: Heilbehandlung, Verletztengeld, Reha, ggf. Unfallrente.
- Gesetz: § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
4. Student stürzt in der Mensa und bricht sich das Bein
- Ursache: Unfall bei offizieller Hochschulveranstaltung.
- Leistung: Heilbehandlungskosten.
- Gesetz: § 2 Abs. 1 Nr. 8c SGB VII.
Wichtiger Hinweis:
Freizeitunfälle oder „private“ Unfälle (z. B. zuhause, beim Sport, im Urlaub) sind nicht abgesichert!
Urteile, die die Lücken zeigen
- LSG Sachsen-Anhalt, Az. L 6 U 36/24, 27.03.2025
Ein Schüler verunglückte mit dem Moped beim Holen von Sonnenblumen für ein Referat. Das Gericht entschied, dass dies nicht unter den Versicherungsschutz fällt, weil es keine schulische Verpflichtung war. - BSG, Az. B 2 U 16/20 R, 28.06.2022
Ein Schüler war auf einem Umweg zur Schule unterwegs, um privat etwas zu erledigen. Das Gericht lehnte eine Leistung ab, weil der Schulweg unterbrochen war. - BSG, Az. 2 RU 29/79, 31.03.1981
Das Besorgen von Material für ein Schulprojekt ohne konkrete schulische Anordnung wurde nicht als versicherte Tätigkeit gewertet.
Warum eine private Unfallversicherung zu empfehlen ist
Eine private Kinderunfallversicherung deckt genau jene Bereiche ab, in denen die gesetzliche Versicherung nicht leistet:
- Freizeit (z. B. Spielplatz, Sportverein)
- Urlaub (Inland und Ausland)
- Zuhause (z. B. Stürze, Verbrennungen)
- Unfälle im Straßenverkehr außerhalb des Schulwegs
Wichtige Vorteile einer privaten Unfallversicherung
✅ Weltweiter Schutz, 24 Stunden am Tag
✅ Kapitalleistung bei Invalidität
✅ Unfallrente bei schwerer Beeinträchtigung
✅ Kostenübernahme für Umbauten, Reha, Hilfsmittel
✅ Leistungen bei Knochenbrüchen, kosmetischen Operationen

Bert Heidekamp
Autor, Versicherungsfachwirt- und Makler, Analyst, BDSF-Sachverständiger für biometrische Risiken, Gründer des QUALITÄTS AWARD



