Erwerbsminderungsrente:
Voraussetzungen, Höhe und Ansprüche für Arbeitnehmer, Studenten & Azubis

Wer durch Krankheit oder Unfall dauerhaft nicht mehr oder nur eingeschränkt arbeiten kann, hat Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente (EM-Rente, Übersicht Deutsche Rentenversicherung). Doch die Voraussetzungen sind streng, die Leistungen oft gering – und gerade für Studenten und Auszubildende bestehen häufig Versorgungslücken.
Unterschied: volle und teilweise Erwerbsminderungsrente
Die Rentenversicherung unterscheidet zwischen zwei Stufen:
- Volle Erwerbsminderungsrente (EU): wenn weniger als 3 Stunden (§ 43 SGB VI) täglich gearbeitet werden kann → ca. 34 % des letzten Bruttoeinkommens.
- Teilweise Erwerbsminderungsrente (EMI): wenn noch 3 bis 6 Stunden (§ 43 SGB VI) täglich möglich sind → ca. 17 % des letzten Bruttoeinkommens.
Diese Berechnungen machen deutlich: Die Erwerbsminderungsrente ersetzt nur einen Bruchteil des Einkommens und reicht allein kaum zur Existenzsicherung.
Erwerbsminderungsrente: Voraussetzungen nach SGB VI
Damit ein Anspruch besteht, müssen laut § 43 SGB VI mehrere Bedingungen erfüllt sein:
- Mindestversicherungszeit von 5 Jahren (Pflicht- oder freiwillige Beiträge, Kindererziehungszeiten zählen mit).
- Zusätzlich: In den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung müssen mindestens 3 Jahre Pflichtbeiträge gezahlt worden sein.
Sonderregelung für Studenten und Auszubildende
Nach § 53 Abs. 2 SGB VI gibt es die sogenannte „vorzeitige Wartezeiterfüllung“. Sie gilt, wenn innerhalb von 6 Jahren nach Abschluss einer schulischen oder beruflichen Ausbildung eine volle Erwerbsminderung eintritt – und im Vorfeld mindestens 12 Monate Pflichtbeiträge gezahlt wurden.
- Auszubildende sind dadurch meist geschützt, da ihre Ausbildungsvergütung rentenversicherungspflichtig ist.
- Studenten hingegen haben in der Regel keinen Anspruch, da sie keine Pflichtbeiträge leisten. Einzige Ausnahme: Sie arbeiten in einem Minijob und zahlen freiwillig die Rentenbeiträge.
Teilweise Erwerbsminderungsrente – selten ein Schutz für junge Menschen
Ein Anspruch auf die teilweise Erwerbsminderungsrente besteht in der Regel nicht für Studenten und Azubis, solange die allgemeine Wartezeit und die zusätzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Außerdem fällt die Leistung deutlich niedriger aus – ca. 17 % vom Brutto.
Höhe der Erwerbsminderungsrente
Die Rentenhöhe wird individuell berechnet. Grundlage sind die bisher zurückgelegten Beitrags- und Zurechnungszeiten. Maßstab sind etwa 75 % des bisherigen durchschnittlichen Einkommens. Die Höhe ist stark von den Beitragszeiten abhängig, wodurch gerade bei jungen Versicherten schnell Versorgungslücken entstehen.
Reha vor Rente – wichtig zu wissen
Nach dem Grundsatz „Reha vor Rente“ (§ 9 SGB VI) prüft die Rentenversicherung immer zuerst, ob eine medizinische oder berufliche Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit wiederherstellen kann.
Ein Anspruch auf Reha besteht, wenn:
- in den letzten 2 Jahren mindestens 6 Monate Pflichtbeiträge gezahlt wurden,
- die allgemeine Wartezeit erfüllt ist,
- oder mindestens 15 Jahre Beitragszeiten vorliegen.
Das BSG (Urteil vom 20.10.2009, Az. B 5 R 44/08 R) bestätigte, dass die Rentenversicherung Reha-Maßnahmen vorrangig einleiten muss, bevor eine Rente bewilligt wird.
Häufige Fragen (FAQ) zur Erwerbsminderungsrente
Wer hat Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente?
Anspruch besteht, wenn man wegen Krankheit oder Unfall weniger als 6 Stunden täglich arbeiten kann und die Wartezeit von 5 Jahren sowie mindestens 3 Jahre Pflichtbeiträge in den letzten 5 Jahren erfüllt sind (§ 43 SGB VI).
Wie hoch ist die volle Erwerbsminderungsrente?
Bei voller Erwerbsminderung (weniger als 3 Stunden Arbeitsfähigkeit täglich) beträgt die Rente rund 34 % des letzten Bruttoeinkommens.
Wie hoch ist die teilweise Erwerbsminderungsrente?
Wer noch zwischen 3 und 6 Stunden täglich arbeiten kann, erhält eine teilweise Erwerbsminderungsrente, die etwa 17 % des letzten Bruttogehalts ausmacht.
Haben Studenten Anspruch auf Erwerbsminderungsrente?
In der Regel nein. Studenten zahlen meist keine Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung. Ein Anspruch entsteht nur, wenn sie z. B. durch einen Minijob freiwillig Rentenbeiträge übernehmen (§ 53 Abs. 2 SGB VI).
Sind Auszubildende durch die Erwerbsminderungsrente geschützt?
Ja. Azubis sind rentenversicherungspflichtig, da sie Beiträge über ihre Ausbildungsvergütung zahlen. Dadurch erfüllen sie häufig die vorzeitige Wartezeiterfüllung und haben im Ernstfall Anspruch auf die volle Erwerbsminderungsrente.
Wie wird die Erwerbsminderungsrente berechnet?
Die Berechnung richtet sich nach den bisher eingezahlten Beiträgen und den Zurechnungszeiten. Maßstab sind ca.75 % des bisherigen Durchschnittseinkommens (BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 13 R 19/11 R).
Was bedeutet „Reha vor Rente“?
Die Rentenversicherung prüft nach dem Grundsatz „Reha vor Rente“ (§ 9 SGB VI), ob durch medizinische oder berufliche Maßnahmen die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden kann. Erst wenn eine Reha nicht (mehr) hilft, wird die EM-Rente bewilligt (BSG, Urteil vom 20.10.2009, Az. B 5 R 44/08 R).
Fazit: Erwerbsminderungsrente reicht oft nicht aus
Die Hürden für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente sind hoch, insbesondere für Studenten und Auszubildende. Während Azubis über Pflichtbeiträge meist abgesichert sind, besteht für Studierende ohne Minijob in der Regel kein Schutz. Außerdem fällt die Rente mit durchschnittlich 17 bis 34 Prozent des letzten Bruttos sehr niedrig aus. Wer eine Versorgungslücke vermeiden möchte, sollte frühzeitig über private Absicherungen wie eine Berufsunfähigkeitsversicherung nachdenken. Gerade für junge Menschen ist es wichtig, rechtzeitig Beiträge zu zahlen oder Alternativen zu prüfen, um im Ernstfall nicht ohne Schutz dazustehen.

Bert Heidekamp
Autor, Versicherungsfachwirt- und Makler, Analyst, BDSF-Sachverständiger für biometrische Risiken, Gründer des QUALITÄTS AWARD


