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Warum altersbedingte Verschleißerscheinungen keine Leistungskürzung rechtfertigen

In der privaten Unfallversicherung wird oft darüber gestritten, ob altersbedingte Abnutzungs-, Verschleiß- oder Schwächeerscheinungen als Krankheiten oder Gebrechen gelten und damit zu einer Kürzung der Leistung (über den Mitwirkungsanteil) führen dürfen.
Grundsätzlich gilt:
- Krankheit = Ein regelwidriger Körperzustand, der ärztlicher Behandlung bedarf.
- Gebrechen = Ein dauerhafter abnormer Gesundheitszustand, der die normale Ausübung von Körperfunktionen beeinträchtigt.
Aber:
Normale, altersentsprechende Abnutzungs- oder Verschleißerscheinungen gelten nicht automatisch als Krankheit oder Gebrechen im Sinne der privaten Unfallversicherung. Sie müssen über das altersübliche Maß hinausgehen, um als anspruchsmindernd berücksichtigt werden zu dürfen.
Rechtsprechung im Überblick: Drei wegweisende Urteile
BGH, Urteil vom 22.01.2020 – IV ZR 125/18
Der Bundesgerichtshof stellt klar:
Altersentsprechende Abnutzungs- oder Verschleißerscheinungen sind keine Gebrechen, wenn sie noch im Rahmen des medizinisch Normalen liegen.
➔ Nur wenn diese Erscheinungen pathologisch, also krankhaft und nicht mehr altersgerecht sind, dürfen sie als mitwirkende Gebrechen angerechnet werden.
BGH, Urteil vom 19.10.2016 – IV ZR 521/14
Der BGH betont:
Der Versicherer trägt die Beweislast dafür, dass eine Vorerkrankung oder ein Gebrechen tatsächlich bestand und an der Gesundheitsschädigung mitgewirkt hat.
➔ Altersgerechte Veränderungen ohne vorherige Beschwerden reichen nicht für eine Kürzung aus.
OLG Dresden, Urteil vom 21.01.2025 – 4 U 1079/23
Das Oberlandesgericht bestätigt:
Auch bei röntgenologisch nachgewiesenen Veränderungen (z.B. an der Schulter) kann keine Mitwirkung angenommen werden, wenn der Versicherte vor dem Unfall beschwerdefrei war.
➔ Die Mitwirkung eines Gebrechens liegt nur dann vor, wenn der Versicherte bereits vor dem Unfall durch die Vorschäden funktional eingeschränkt war.
Zusammengefasst:
- Normale, altersentsprechende Verschleißerscheinungen (z.B. leichte Arthrose) sind kein Gebrechen.
- Sie dürfen nicht zur Leistungskürzung herangezogen werden, wenn der Betroffene zuvor beschwerdefrei war
- Der Versicherer muss beweisen, dass eine krankhafte, nicht altersgerechte Vorschädigung tatsächlich vorlag und die Unfallfolgen maßgeblich beeinflusst hat.
- Ohne diesen Nachweis bleibt die volle Leistung erhalten.
Unser Tipp für Ihre Sicherheit:
Auch wenn die aktuelle Rechtsprechung bestätigt, dass normale altersbedingte Verschleißerscheinungen nicht automatisch zu einer Leistungskürzung führen dürfen, bleibt oft eine erhebliche Grauzone:
Was genau ist noch „normal“ – und was wird plötzlich zum Streitpunkt?
Gerade bei handwerklichen Berufen oder sportlichen Hobbys können altersübliche Abnutzungen schneller auftreten. Versicherer nutzen diese Unklarheiten leider häufig, um Ansprüche zu kürzen oder langwierige Rechtsstreitigkeiten zu provozieren.
Unsere Empfehlung:
Überprüfen Sie unbedingt Ihre bestehende Unfallversicherung darauf, ob Ihr Versicherer bis zu 100 % auf die Anrechnung von Krankheiten oder Gebrechen verzichtet. Ein vollständiger Verzicht erspart Ihnen im Ernstfall nicht nur Ärger, sondern oft auch jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen.
Unser Service für Sie:
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Bert Heidekamp
Autor, Versicherungsfachwirt- und Makler, Analyst, BDSF-Sachverständiger für biometrische Risiken, Gründer des QUALITÄTS AWARD






